Carola Bauckholt: Stroh
für Sopran, Mezzosopran, Bariton und Bass
(2012)Mich zieht die individuelle Stimmfarbe an. Deshalb reduzierte ich die Besetzung auf vier Stimmen–ein transparentes Quartett. Im Piano ist das Timbre differenzierter wahrnehmbar. In der Tiefe ist der Klang körperlicher. Dann interessiert mich die Unterseite des Gesangs. Das vocal fry, der Strohbass, multiphonics, resonierende Taschenfalten, Luftklänge, gehauchte Akkorde. Klänge mit starker Textur. Die Worte ergaben sich aus der Artikulation, das heißt, Vokale und Konsonanten ergeben sich in erster Linie aus der Klangvorstellung. Stimmen sind archaisch und haben einen unmittelbaren Kontakt zum Unterbewusstsein. Das möchte ich jenseits von Klischees berühren.
(Carola Bauckholt)
… Eine ganz andere Welt ist Carola Bauckholts immer auch mit zarter Theatralik und oftmals raffinierter kompositorischer Ironie (gibt es so etwas überhaupt?) ausgestattete Klangwelt. Die Titulierungen ihrer Kompositionen evozieren ein eigenes Milieu von Gegenständen, Zuständen und Befindlichkeiten: Der gefaltete Blick, Polizeitrieb, Schraubdichtung, Zopf, Maulwurf, Pumpe, Nestwärme, Hubschrauber, blinder Fleck… und jetzt Stroh. Assoziatives Minengelände. Wo man drauf stößt, gibt es Blitze, Erhellungen also durch das Begreifen von fein eingefädelten Bezügen. Manchmal fliegt man in die Luft. Während des Hörens ihrer Kompositionen bleibt einem das Lachen oft im Hals stecken, obschon es nie witzig oder vordergründig humoristisch zugeht. Eine ganz und gar eigene Weltbeobachtung durch die Skalpelle, mit der sie ihre Noten schneidet, schleift und differenziert.
(Hans-Peter Jahn, in: Programmbuch ECLAT 2013)
Die Uraufführung fand statt am 8. Februar 2013 bei ECLAT Festival Neue Musik Stuttgart