Evis Sammoutis: In darkness
für fünf Stimmen und Bassklarinette
(2022)John Dowland (1563–1626) ist ein Komponist, dessen Werke ich seit meinem neunten Lebensjahr sowohl auf der Gitarre als auch auf der Laute spiele. »In darkness let me dwell« ist eines der Stücke, das mich immer am meisten angesprochen hat. Es geht darin im Wesentlichen um Traurigkeit, Melancholie und Depression, und passenderweise endet es mit einer unvollkommenen Kadenz und lässt alles in der Schwebe. Es ist ein Stück von harmonischer Instabilität und großer Schönheit. Ich bin nicht der einzige Komponist, der sich von diesem monumentalen Werk hat inspirieren lassen. Thomas Adès‘ Darknesse Visible, komponiert 1992, ist ein Beispiel aus jüngerer Zeit. Allerdings dient die musikalische Verbindung zu Dowland in meinem Werk eher als Grundlage, die es weiterzudenken gilt, und nicht als Schwerpunkt. Ich verwende denselben Text wie Dowland, aber ich halte die Verbindung zu den ursprünglichen musikalischen Manierismen der Renaissance bis gegen Ende des Stücks eher verborgen.
Dies ist der Text, den beide Stücke verwenden:
In Finsternis lasst mich wohnen, der Boden soll sein
die Traurigkeit;
Das Dach die Verzweiflung, um mir alles heitere Licht
zu versperren;
Die Wände aus schwarzem Marmor, die feucht
noch weinen werden;
Meine Musik schrillt höllisch auf, um freundlichen Schlaf
zu vertreiben.
So vermählt mit meinem Leid und in mein Grab gebettet,
O lasst mich lebendig sterben, bis der Tod kommt.
(Übersetzung: Florian Heurich)
Als ich den Auftrag bekam, für die Neuen Vocalsolisten und Gareth Davis ein neues Werk zu komponieren, das sich mit der Parkinson-Krankheit und ihren Folgen beschäftigt, dachte ich sofort an dieses Stück von Dowland. In den folgenden Wochen und bei meinen ersten Skizzen wurde mir allmählich klarer, warum mir intuitiv dieses Lied in den Sinn kam. Für mich ist es ein Werk, das all das verkörpert, was Menschsein bedeutet: Schönheit und Verfall, Leben und Tod, die Begeisterung über die Feinheit der Musik und die tiefe Trauer, die der Text vermittelt.
Ich habe Familienmitglieder und Freunde, die an Parkinson erkrankt sind oder waren, und daher kenne ich die Auswirkungen der Krankheit aus erster Hand, sowohl physisch als auch psychisch. Wie mir ein enger Freund erklärte, kann man diese Krankheit als ein Leben in einem Gefängnis oder Mausoleum betrachten, wobei der eigene Geist in einem Körper gefangen ist, der nicht mehr so reagiert wie früher. Singen ist jedoch eine Aktivität, die tatsächlich dazu beitragen kann, einige der Auswirkungen dieser Krankheit zu verzögern. Diese Auswirkungen werden durch das Zusammenspiel von Ton und Lautstärke symbolisiert, wobei der Ton im Verlauf des Stücks immer hauchiger und rauer wird.
In meinem Stück verwende ich physiologische Metaphern wie die obige, um das Klangprofil des Ensembles zu verändern und die Beziehung zwischen dem Klarinettisten und den Sänger:innen zu untersuchen, indem ich die textlichen Hierarchien verändere und die Rollen vertausche. Außerdem dekonstruiere ich die Partitur von Dowland und setze sie wieder neu zusammen, wobei ich zwischen neuem Material und dem ursprünglichen Lied oszilliere. Durch die Besetzung für Bassklarinette und fünf Stimmen kann ich mich diesem Material aus einer neuen Perspektive nähern, da sie weit entfernt ist von den Klangfarben der ursprünglichen Lauten- und Gesangsfassung.
Darüber hinaus beschäftigt sich mein Werk auch mit Verfall und Komplexität von Material im Laufe der Zeit, wobei sich die Klangfarben der Sänger:innen verändern von zerbrechlichen Klängen hin zu einem selbstbewussteren und sichereren Ausdruck, wie etwa »Herdenrufe« und natürlich die Wiedergabe des ursprünglichen Dowland-Materials in einer neu arrangierten »Chorfassung«. Zudem spielen die Sänger:innen auch verschiedene kleine Hilfsobjekte mit der Hand, durch die ich die Übergänge zwischen Kontrolle und Kontrollverlust vergegenwärtige (regelmäßiger Puls versus »schrille« Klänge), sowohl im Klang als auch in der visuellen Geste. Bei einigen dieser Hilfsmittel handelt es sich um gewöhnliche Haushaltsgegenstände, darunter Pfeifen, bei anderen um richtige Instrumente (Kalimba, Mundharmonika).
Aus meiner persönlichen Erfahrung ist die psychologische Wirkung dieser Krankheit mit einem Gefühl von Hilflosigkeit und tiefer Traurigkeit unerträglich; in meinem Stück sind jedoch Aufbegehren und Mut genauso wichtig, und ich möchte diese Themen und ihre Verknüpfungen erforschen. Meine Haltung in diesem Werk entspringt einem Gefühl der Empathie für diese schreckliche Krankheit und ihre Auswirkungen auf die Patient:innen und ihre Familien, und in diesem Sinne ist es eines meiner bisher persönlichsten und nachdenklichsten Werke.
(Evis Sammoutis)